Sind wir wie Sisyphos?
Sicher haben Sie doch mal von Sisyphos gehört? Diesem Aufmüpfigen, den die Götter mit der Aufgabe bestraften, einen Stein den Berg hinauf zu rollen, der, kaum dass er oben war, wieder hinunterrollte? Diese Aufgabe forderte Sisyphos heraus und beschäftigte ihn total.
Eines Tages, als dieser blöde Stein schon wieder den Hang hinunterrollte, begriff Sisyphos, dass das immer so sein würde. Und er war es leid, diesen Stein ächzend, stöhnend, fluchend und schwitzend wieder hoch zu rollen.
Doch „aussteigen“ konnte er nicht. Sisyphos konnte den Stein am Runterrollen nicht hindern. Er konnte auch nicht ändern, dass er es war, der den Stein wieder nach oben rollen musste.
Sisyphos verstand, dass er, wenn er nicht verzweifeln wollte, eine andere Lösung finden musste. Die äußeren Umstände konnte er nicht ändern. Also gab er seinen inneren Widerstand auf, ergab sich seinem Schicksal und der Aufgabe, die er zu erfüllen hatte. Er probierte verschiedene Methoden, den Stein hochzurollen, es wurde spielerischer und er begann, dabei zu pfeifen.
Irgendwann wurde ihm bewusst, dass er stärker, muskulöser geworden war. Er rollte den Stein inzwischen mit Leichtigkeit den Berg hinauf, schaute ohne Ärger hinterher, wie er den Berg hinunterrollte.
Eines Tages war es dann soweit: Sisyphos war gelassen, gänzlich ausgelassen. Er lief seinem rollenden Felsen singend und lachend hinterher. Denn Sisyphos hatte das Spiel durchschaut, hatte es durchlebt und erfahren.
Beim Hinaufrollen machte Sisyphos die ersten tänzelnden Schritte, empfand Freude und Leichtigkeit, seine Kraft, seine Lebendigkeit und spürte Dankbarkeit.
Sisyphos hatte sich seinem Leben hingegeben: Seine Auf-Gabe wurde zu seiner Gabe. Er wurde zum Tänzer mit seinem rollenden Stein. Sisyphos war frei.
„Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Albert Camus
Was meinen Sie dazu? Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Erfahrungen und Gedanken mailen:
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Autorin: Magdi Schadt
Bild: Magdi Schadt